Nachhaltiges Beschaffen: Blick in die Praxis

Nachhaltig beschaffen bedeutet, die öffentlichen Mittel sowohl wirtschaftlich als auch volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch verantwortungsvoll einzusetzen. Seit 2022 gilt dieser Grundsatz auch für Gemeinden im Kanton Bern. Ein kurzer Überblick zum Thema.

Nachhaltige Beschaffung

Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen für nachhaltige Beschaffungen?

  • Am 1. Januar 2021 ist das revidierte Beschaffungsrecht des Bundes in Kraft getreten. Es steht für einen Paradigmenwechsel im öffentlichen Beschaffungswesen weg vom Preiswettbewerb hin zu mehr Nachhaltigkeit und Qualitätswettbewerb. Aber nicht nur die Gesetze auf Bundesebene wurden dabei revidiert, sondern auch die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB 2019), die für Beschaffende in Städten und Gemeinden gilt.
  • Im Kanton Bern gilt die IVöB 2019 seit dem 1. Februar 2022. Im Zweckartikel wird neben dem weiterhin massgeblichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit neu auch die Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen genannt: «Diese Vereinbarung bezweckt den wirtschaftlichen und den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel.»
  • Dies bildet zusammen mit weiteren Bestimmungen die Rechtsgrundlage, um bei öffentlichen Beschaffungen auch als Gemeinde nachhaltige Ziele zu berücksichtigen, so etwa bei der Definition der spezifischen Eignungs- und Zuschlagskriterien für die ausgeschriebene Produktegruppe oder Dienstleistung.

Toolbox bietet Wissen, Instrumente und Praxisbeispiele

Für Beschaffungsstellen und Fachpersonen, die sich mit öffentlicher Beschaffung beschäftigen, bietet die Toolbox Nachhaltige Beschaffung Schweiz praxisorientierte Grundlagen, Methodik, Instrumente und Merkblätter sowie verschiedene Praxisbeispiele. Dieser Werkzeugkasten wird vom Bund und der Wissensplattform nachhaltige öffentliche Beschaffung zur Verfügung gestellt.

Wie Nachhaltigkeitskriterien etwa bei der Beschaffung von Planerleistungen in der Praxis definiert und angewendet werden können, vermittelt unter anderem das aufschlussreiche Referat des Experten Eduard Tüscher anlässlich einer regionalen ERFA-Veranstaltung vom 24. Oktober 2022. Gute Beispiele aus der Praxis von Gemeinden finden sich ebenfalls in den Dokumentationen von weiteren regionalen Anlässen zu nachhaltiger Beschaffung.

Blick in die Praxis

Marco Rupp, noch bis Ende Jahr Gemeindepräsident von Ittigen
Marco Rupp, noch bis Ende Jahr Gemeindepräsident von Ittigen

Viele Gemeinden wenden bei öffentlichen Beschaffungen nicht erst seit der IVöB 2019 Kriterien zur Nachhaltigkeit an. So auch die Gemeinde Ittigen. Interview mit Gemeindepräsident Marco Rupp.

Welchen Stellenwert hat das Thema Beschaffungen ganz grundsätzlich für eine Gemeinde wie Ittigen?

Das Thema Beschaffung hat einen hohen Stellenwert. Unsere Gemeinde vergibt jährlich Aufträge in der Grössenordnung von mehreren Millionen Franken. Das hat nicht nur eine ökonomische Dimension, sondern auch eine ökologische. Mit dem revidierten Beschaffungsrecht auf Bundes- und Kantonsebene haben die Gemeinden nun einen wichtigen Hebel zur Hand, um die Nachhaltigkeit bei Beschaffungen stärker zu gewichten.

Ittigen setzt nicht erst seit 2022 auf nachhaltige Beschaffungen. Weshalb?

Die Gemeinde ist seit 25 Jahren ISO 14001 zertifiziert. Dieses freiwillig gewählte Umwelt-Label verpflichtet uns zu nachhaltigem Handeln in unserer eigenen Tätigkeit: Beim Bau und Unterhalt unserer Schulhäuser und gemeindeeigenen Liegenschaften, bei der Beschaffung von Material oder bei der Vergabe von Aufträgen an Dritte.

In welchen Bereichen lohnt es sich besonders, auf nachhaltige Beschaffungen zu setzen?

Wir haben festgestellt, dass beim Gebäudepark und beim Verkehr am meisten Treibhausgase entstehen. Hier gilt es prioritär anzusetzen.

Können Sie Beispiele aus Ittigen nennen?

Beim Bau und der Sanierung von Gebäuden spielen viele Faktoren eine Rolle. Mit welchem Material baut man, woher kommen die Materialien, oder wie erfolgt die Energie- und Wärmeversorgung der Gebäude? Wichtig ist, dass bereits in einer frühen Phase, das heisst bei der Planung und für die Wettbewerbsverfahren, die richtigen Vorgaben gemacht werden.

Auch beim Verkehr ist es wichtig, dass bereits mit einer durchdachten Siedlungsstruktur gute Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung geschaffen werden können. Darauf aufbauend können die Transportunternehmen bei der Beschaffung von Elektrobussen finanziell unterstützt werden. Für die eigene Fahrzeugflotte (Autos, Fahrzeuge des Werkhofes u. a.) oder bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen (z. B. Kehrichtabfuhr) können die Eignungs- und Zuschlagskriterien mit ökologischen Kriterien ergänzt werden. Aber auch beim Strassenbau lassen sich Vorgaben wie etwa der Anteil an Recyclingmaterial definieren.

Welches sind die grössten Herausforderungen bei nachhaltigen Beschaffungen?

Man muss klar festhalten, dass die Ausschreibungen – wenn man sie ernst nimmt – anspruchsvoller geworden sind. Einerseits erfordert die Verankerung von Qualitätskriterien bei den Eignungskriterien ein hohes Fachwissen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Anderseits sind Qualitätskriterien bei den Zuschlagskriterien so zu skalieren, dass sie zu den Kriterien der Wirtschaftlichkeit in einem vernünftigen Verhältnis stehen.

Welche fachlichen und personellen Voraussetzungen braucht es, um als Gemeinde eine nachhaltige Beschaffung erfolgreich durchzuführen?

In der Bauabteilung – aber nicht nur dort – muss das Fachwissen vorhanden sein. Wir scheuen uns aber nicht, bei komplexen Fragestellungen auch externe Spezialisten beizuziehen.

Was würden Sie anderen Gemeinden mit auf den Weg geben, welche sich noch nicht oder bisher nur wenig mit dem Thema befasst haben?

Es braucht immer eine vom Gemeinderat validierte Gesamtstrategie. Noch besser ist, wenn die Strategie auch in den Instrumenten der Gemeinde wie Reglemente, Richtpläne oder Aufgaben- und Finanzplan verankert ist. Dies gibt der Verwaltung die notwendige Legitimation zu handeln. Auch ist es wichtig, dass bei grösseren Beschaffungen die Kriterien vom Gemeinderat verabschiedet werden. Auf dieser Grundlage ist der eigentliche Beschaffungsentscheid dann eher eine Formsache.

Im Rahmen des regionalen Engagements zur Dekarbonisierung erfolgt zudem ein praxisorientierter Wissens- und Erfahrungsaustausch für Gemeinden auch zum Thema nachhaltige Beschaffung.

Planen Sie einen Infoanlass zu Energiethemen? – Hier gibt's Unterstützung

Informationsveranstaltungen sind ein bewährtes Instrument, um Bevölkerung und interessierte Kreise zu Energiethemen auf dem Laufenden zu halten und sie zu sensibilisieren. Planen Sie als Gemeinde einen solchen Anlass, können Sie dafür auf wirksame Unterstützung zählen.

Bund (EnergieSchweiz)

Das Programm «Temporäre Projekte» von EnergieSchweiz unterstützt Gemeinden mit finanziellen Beiträgen. Damit können sie Kommunikationsprojekte – wie beispielsweise Veranstaltungen – und Begleitmassnahmen unkompliziert durchführen. «EnergieSchweiz für Gemeinden» führt das Programm jedes Jahr neu durch. Der Fokus liegt auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Die nächste Ausschreibung wird am 1. März 2025 publiziert.

Kanton Bern

Informationsveranstaltungen und Weiterbildungsanlässe helfen, die Ziele der kantonalen Energiestrategie zu erreichen. Der Kanton Bern leistet deshalb für solche Veranstaltungen finanzielle Unterstützung.

Energieberatungsstelle Bern-Mittelland

Gerne leisten wir kostenlos einen fachlichen Input in Form eines Referats und stehen mit unserem Beratungsstand zur Verfügung. Auf Wunsch bringen wir unsere Erfahrung auch bei der Konzeption einer Veranstaltung ein. Wir freuen uns auf Ihren Kontakt!
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