Zauberwort Klimastrategie – was ist damit gemeint?

Um die Klimaziele der Schweiz – Netto-Null Treibhausemissionen bis im Jahr 2050 – zu erreichen, sind nebst Bund, Kantonen, Wirtschaft und Bevölkerung auch die Gemeinden gefordert. Mit der passenden Klimastrategie können sie ihren Weg zugunsten von Klimaschutz und -anpassung definieren. Doch was umfasst eine Klimastrategie alles? Und wie gehen Gemeinden am besten vor? Ein Überblick.

Saskia Frey-von Gunten

Was bedeutet Klimaschutz und Klimaanpassung auf Gemeindeebene? Und welchen Beitrag können Gemeinden leisten? Nachgefragt bei Saskia Frey-von Gunten, Leiterin der öffentlichen Energieberatungsstelle Bern-Mittelland. Sie ist zusammen mit Beat Nussbaumer zuständig für die Beratung der Gemeinden.

Was ist eine kommunale Klimastrategie? Und wozu dient eine solche?

Eine Klimastrategie ist für eine Gemeinde ein möglicher erster Schritt in Richtung Netto-Null. Mit diesem Instrument kann sie die Reduktion der Treibhausgasemissionen und die Anpassung an den Klimawandel ganzheitlich und systematisch angehen. Die Klimastrategie identifiziert die klimarelevanten Themen und deren Schnittstellen und stimmt sie aufeinander ab. Das ist wichtig, denn Treibhausgase fallen nicht nur im Gebäudebereich an – und jeder Franken kann nur einmal ausgegeben werden. Mit der Klimastrategie zeigt eine Gemeinde ihrer Bevölkerung und der Wirtschaft transparent auf, wo sie den Hebel ansetzen will, welche Massnahmen die grösste Wirkung versprechen und wie die Finanzierung aussehen könnte.

Welche «Bausteine» gehören zu einer kommunalen Klimastrategie?

Der praxisorientierte «Wegweiser Klimastrategie für Gemeinden» des Bundesamts für Umwelt (BAFU) definiert acht Schritte: 1. Ausgangslage beschreiben, 2. Akteurinnen und Akteure identifizieren, 3. Handlungsbedarf definieren, 4. Ziele festlegen, 5. Massnahmen planen, 6. Finanzierung und personelle Ressourcen sicherstellen, 7. Monitoring aufbauen, 8. Klimaschutz politisch verankern. Diesen Wegweiser haben wir im Rahmen des RKBM-Programms «Klimaziel Netto-Null 2050 – Handlungsspielraum für Gemeinden» im Modul Ia am 30. November 2023 vorgestellt. Er soll insbesondere kleinen und mittleren Gemeinden das Erarbeiten einer Klimastrategie erleichtern und verweist dabei auf zahlreiche nützliche Instrumente und Informationen:

  • Tools: Bilanzierungsinstrumente, Finanzierungshilfe u. a.
  • Vorlagen und Hilfsmittel: Klimastrategie, Projektorganisation, Massnahmenblatt, FAQ
  • Praxisbeispiele aus kantonalen und kommunalen Verwaltungen

Haben Sie besondere Tipps für Gemeinden, die mit dem genannten BAFU-Wegweiser arbeiten?

Wichtig sind uns drei Punkte: Erstens: Es gibt auch in unserer Region bereits viele gute Beispiele. Es muss nicht jede Gemeinde das Rad neu erfinden. Zweitens: Die Grundlagen für die Schritte 3 und 7 (Handlungsbedarf und Monitoring) sind dank der Klimametrik des Kantons Bern bereits zum grössten Teil vorhanden. Drittens: Insbesondere die Schritte 5 und 6 (Massnahmen und Finanzierung) müssen aus unserer Sicht in der Klimastrategie noch nicht von Beginn weg abschliessend definiert sein. Es ist der wohl schwierigste zu definierende Teil auf dem Weg zu Netto-Null. Er lässt sich auch in einem separaten Schritt, z. B. in einem Massnahmenplan, der über die Jahre/Legislaturen laufend erweitert und angepasst wird, beschreiben.

Worin unterscheidet sich eine kommunale Klimastrategie von Klimastrategien auf Kantons- oder Bundesebene?

Eine Klimastrategie respektive die darin enthaltenen Massnahmen sind auf Gemeindeebene am konkretesten. Die Gemeinde ist nahe dran an der Bevölkerung und kann sie daher am besten sensibilisieren. Denn der Klimaschutz geht uns alle an. Wichtig scheint mir, im direkten Kontakt mit der Bevölkerung auch darauf hinzuweisen, dass – wenn wir nichts tun – die Ausgaben für künftige Klimaschäden ein Vielfaches der heutigen Massnahmenkosten betragen werden.

Welche Personen in der Gemeinde können eine Klimastrategie erarbeiten? Welche Kompetenzen braucht es?

Das BAFU bietet auch hier eine praktische Vorlage für eine mögliche Projektorganisation. Die Begleitgruppe sowie die externe Unterstützung sind dabei fakultativ:

  • Steuerungsgruppe: Sie setzt sich aus Mitgliedern des Gemeinderats zusammen. Die Steuerungsgruppe fällt die strategischen Entscheide der Klimastrategie und stellt die entsprechende politische Verankerung, die Kommunikation und die Unterstützung sicher.
  • Projektleitung: Sie unterliegt der federführenden Abteilung, zum Beispiel der Bauverwaltung. Die Projektleitung erarbeitet die Klimastrategie (gemeinsam mit dem Fachausschuss) und ist für die Projektplanung sowie die -umsetzung zuständig. 
  • Fachausschuss: Er setzt sich aus den verwaltungsinternen Abteilungen zusammen. Diese sind aktiv in die Erarbeitung der Klimastrategie involviert, liefern entsprechende Daten und identifizieren mögliche Massnahmen. Der Fachausschuss kann durch sektorspezifische Akteurinnen und Akteure und Interessensvertretende ergänzt und begleitet werden. 
  • Begleitgruppe: Für grössere Gemeinden oder Städte kann ergänzend eine Begleitgruppe definiert werden, die die relevanten Akteurinnen und Akteure integriert.
  • Externe Unterstützung: Bei Bedarf kann die Erarbeitung der Klimastrategie durch eine externe Unterstützung begleitet werden.
Mögliche Darstellung für die Organisation

Organigramm als hierarchische Darstellung mit den jeweiligen Verbindungspunkten der unterschiedlichen Gremien. Quelle: BAFU

Wenn eine Gemeinde beschliesst, eine Klimastrategie zu erarbeiten: Welches ist der erste Schritt? Und welche Unterstützung bietet die regionale Energieberatungsstelle Bern-Mittelland?

Vorbemerkung: Der Wegweiser des BAFU sowie die Unterstützung durch den Kanton Bern und die regionale Energieberatungsstelle sollen einer Gemeinde die Arbeit spürbar erleichtern. Erster Schritt: Setzen Sie sich als Gemeinde mit uns von der Energieberatung der RKBM in Verbindung! Wir unterstützen Sie bei allen wichtigen Fragen wie etwa: Worauf müssen Sie speziell achten, wo gibt es bereits umgesetzte Beispiele aus vergleichbaren Gemeinden, wo erhalten Sie weitere externe Unterstützung, oder wie und wann können Sie beim Kanton Fördergelder beantragen? Kommen Sie auf uns zu!

Kürzlich hat auch der Kanton Bern beschlossen, Gemeinden beim Erarbeiten einer Klimastrategie zu unterstützen. Wie sieht das konkret aus?

Der Kanton finanziert 50 Prozent der Kosten, die bei der fachlichen Erarbeitung einer kommunalen Klimastrategie anfallen – jedoch maximal 20’000 Franken pro Gemeinde. Viele Gemeinden werden diesen Maximalbeitrag wohl nicht benötigen: Eine Klimastrategie, insbesondere für kleinere Gemeinden, lässt sich je nach Ausgangslage bereits mit deutlich geringerem Aufwand erstellen. Von der kantonalen Unterstützung können Gemeinden profitieren, die unter anderem ihre Klimastrategie entsprechend dem «Wegweiser Klimastrategie für Gemeinden» des BAFU erarbeiten und sich auf die Daten der Energie- und Klimadatenplattform des Kantons Bern abstützen. Detailliertere Informationen sind in einem Faktenblatt des Kantons zu finden.

Zum Schluss: Klimaschutz hört nicht an der Gemeindegrenze auf. Muss jede Gemeinde für sich eine Klimastrategie erarbeiten, oder kann man überkommunale Synergien schaffen und nutzen?

Wenn Gemeinden bereits zusammenarbeiten, kann es sinnvoll und effizient sein, auch eine Klimastrategie zusammen zu erarbeiten. Das gemeinsame Vorgehen verleiht dem Statement, das Ziel Netto-Null erreichen zu wollen, sicher zusätzliches Gewicht. Insbesondere bei den Massnahmen ergibt es Sinn, überkommunale Synergien zu schaffen und zu nutzen. Dies, da eine Klimastrategie nicht «nur» den Gebäudebereich betrifft, sondern von der Landwirtschaft über die Mobilität bis zum Konsum praktische alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche einbezieht. Ein gutes Beispiel sind hier die Wärmeverbünde oder die Ladestationen für Elektromobilität: In einem abgelegenen Gewerbegebiet einer ländlichen Gemeinde könnte in der Nachbargemeinde auf kurze Distanz die Abwärme genutzt werden. Oder: Auf einer Autobahn-Zubringerstrasse könnten gleich drei angrenzende Gemeinden einen Shuttle-Parkplatz mit Ladestationen realisieren. Was am Schluss zählt, ist, dass eine Gemeinde – ob allein oder gemeinsam mit anderen – beim Thema Klimaschutz überhaupt aktiv wird. Auch schon kleine Schritte zeigen Wirkung!

Hinweis: Energievorschriften beim Bauen – aktuelle Formulare benutzen

Die Energienachweis-Formulare des Kantons Bern werden immer wieder angepasst. Um sicherzustellen, dass Gemeinden und Fachpersonen über die aktuellen Formulare verfügen, sind sie gebeten, die entsprechenden Formulare stets von der Website des Kantons herunterzuladen.

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