Mögliche Energiemangellage: Was können Gemeinden tun?

Energie ist durch die weltpolitische Lage mehr denn je ein Brennpunktthema. Wie wirkt sich das auf die Tätigkeit der regionalen Energieberatungsstelle Bern-Mittelland aus? Und was können Gemeinden angesichts einer möglichen Mangellage selbst unternehmen? Nachgefragt bei Beat Nussbaumer, stellvertretender Leiter der regionalen Energieberatungsstelle.

Beat Nussbaumer

Am Regionstag der RKBM im November haben Sie eindrücklich aufgezeigt, dass sich die Anzahl der Anfragen bei der Energieberatungsstelle mit 1100 gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt hat. Ein Viertel der Anfragen kommt von Gemeinden. Welche Themen brennen ihnen unter den Nägeln?

Bei vielen Gemeinden, die wir im laufenden Jahr beraten durften, steht das Thema Wärmeverbund im Fokus – mit der Absicht, von den fossilen Brennstoffen wegzukommen, hin zu erneuerbaren Energien. Die Versorgungssicherheit ist da nun neben der Nachhaltigkeit ein zusätzlicher Treiber. Die Gemeinden können eine wichtige Rolle einnehmen. Denn durch die gleichzeitige regionale Energieproduktion im Forst oder auf den Solardächern gewinnt auch das lokale Gewerbe. So bleibt die Wertschöpfung in der Region. Weitere häufige Themen sind die Funktion und Wirkung eines Gemeinde-Energierichtplans oder die Möglichkeiten, die eine Gemeinde hat, um ihre Vorbildfunktion im Energiebereich wahrnehmen zu können.

Wie kann eine Gemeinde überprüfen und beurteilen, wo sie im Energiebereich steht, etwa punkto Energieeffizienz?

Hilfreich ist beispielsweise das Programm Energiestadt. Es beinhaltet eine transparente Energiebilanz im Gebäude- und Mobilitätssektor und umfasst eine konkrete Massnahmenplanung. Damit können Gemeinden sich selbst einordnen und kennen ihre wirkungsvollsten nächsten Massnahmen. Auch wenn der Name etwas anderes suggeriert, ist das Programm Energiestadt selbstverständlich auch für kleinere Gemeinden bestens geeignet.

Wie sind Gemeinden im Perimeter der RKBM von einer möglichen Energiemangellage betroffen? Gibt es Unterschiede zwischen ländlicheren und städtischeren Gemeinden?

Die Situation der Versorgungssicherheit hat sich bei der Elektrizität etwas entspannt. Natürlich sind wir trotzdem weiterhin angehalten, mit diesem wertvollen Energieträger effizient umzugehen! Die steigenden Strompreise geben hier ja auch ein klares Signal. Unter www.mangellage.ch kann die aktuelle Einschätzung abgefragt werden. Angespannter ist die Situation weiterhin bei der Erdgasversorgung. Jedoch hat die Schweiz auch ohne grosse Erdgasspeicher zum Beispiel bei den Industrieunternehmen mit sogenannten Zweistoffbrennern die Möglichkeit, bei Erdgasmangel auf Erdölbrennstoff umzuschalten. Dies entlastet das Erdgasnetz in einer akuten Mangellage merklich. Wir haben also nicht ein Stadt-Land-Thema, sondern müssen unterscheiden zwischen erdgas- und erdölversorgten Gemeinden einerseits und mit erneuerbaren Energien versorgten Gemeinden andererseits. Nach wie vor werden über zwei Drittel der Raumwärme in der Schweiz fossil erzeugt (43 % mit Erdöl, 25 % mit Erdgas). Die Auslandabhängigkeit ist also unangenehm gross!

Angesichts der angespannten Versorgungslage sind auch Gemeinden aufgefordert, Energie einzusparen. Welche Möglichkeiten haben sie – kurz-, mittel- und langfristig?

Wie andere Energiebezüger können auch Gemeinden mit intelligenten, automatischen Steuerungen und Regulierungen kurzfristige Einsparungen erzielen. Dazu zählen beispielsweise eine präsenz- und tageslichtgesteuerte Beleuchtung in Büroräumen. Solche Anwendungen kennen wir auch schon von der Strassenbeleuchtung. Das bedeutet: Betrieb nur noch bei Bedarf! Das funktioniert auch mit Zirkulationspumpen bei Warmwassersystemen oder Lüftungsventilatoren.

Mittelfristige Massnahmen bedingen etwas höhere Investitionen, wie etwa die Anschaffung effizienterer LED-Leuchten, sind aber immer noch wirtschaftlich. Das heisst, die Kosten zahlen sich spätestens innerhalb der Nutzungsdauer zurück, meist innerhalb von vier bis acht Jahren.

Bei Massnahmen, die sich erst im Zusammenhang mit Unterhalts- oder Erneuerungsmassnahmen lohnen, sprechen wir nicht von langfristigen, sondern von abhängigen Massnahmen. Dies kann beispielsweise eine Wärmedämmung des Daches sein, wenn die Dacheindeckung erneuert werden muss. Das bietet auch die Gelegenheit, die Installation eine Fotovoltaikanlage zu prüfen. Ganz grundsätzlich lohnt es sich immer, eine Massnahmen-Liste zu erarbeiten und nach Kosten und Nutzen zu bewerten.

Wie können Gemeinden – unabhängig von einer möglichen Mangellage – von Förderbeiträgen für Energiemassnahmen profitieren?

Eine breite Palette von Förderangeboten speziell für Gemeinden bietet beispielsweise Energie Schweiz; dies in den Bereichen Gebäude, erneuerbare Energie, Mobilität sowie Anlagen und Prozesse. Im Rahmen des kantonalen Förderprogramms Energie sind Gemeinden förderberechtigt für Machbarkeitsstudien, Wärmeerzeugung mit Holz/Biomasse und für Wärmenetze mit erneuerbarer Energie. Eine Übersicht über die grosse Vielfalt von Förderprogrammen in der Schweiz ist unter www.energiefranken.ch zu finden.


Wie können Gemeinden bei der Energieversorgung sinnvollerweise zusammenspannen? Mit Wärmeverbünden? Wo stehen wir da heute, gibt es noch ein ungenutztes Potenzial?

Selbsterklärend sind gemeinsame Lösungen immer effizienter und meist günstiger – durch den Skaleneffekt beispielsweise auch Wärmeverbünde. Das heisst, durch den geringeren Anteil der Grundinvestition der einzelnen Partner werden grosse Anlagen respektive Wärmeverbünde wirtschaftlicher. Hier zeigen gerade auch gemeindeübergreifende Lösungen Wirkung. Wichtig bleibt aber das Kriterium der sogenannten Wärmedichte: Pro Laufmeter Wärmeleitung muss eine entsprechende Wärmeleistung angeschlossen werden können, ansonsten ist das Wärmenetz im Vergleich zu einer individuellen Wärmeerzeugung zu teuer. Das Potenzial für zentrale Wärmeerzeugungen mit erneuerbaren Energien wie See- oder Grundwasser ist weiterhin immens. Entscheidend für die Lancierung von Projekten ist heute nicht der Wärmepreis, sondern die Akquisition von Wärmebezügern. Hier spielen verlässliche, grosse Wärmebezüger eine Schlüsselrolle.

Wie unterstützt die Energieberatungsstelle die Gemeinden im Rahmen einer Beratung?

Die Beratung kann man sich als Coaching vorstellen. Es gibt seitens Gemeinden ja eine Vielzahl von bestens qualifizierten Energiefachpersonen. Die Energieberatung zeigt also vor allem Lösungsmöglichkeiten auf, die Umsetzung der Projekte erfolgt dann durch die kommunalen Fachkräfte. Wir können Gemeinden beispielsweise bei Wärmeversorgungsprojekten beratend unterstützen, indem wir gemeindespezifische Projektstrukturen sowie die Etappen der Projektentwicklung aufzeigen. Dabei ist das Verständnis für die Rolle der Gemeinde wichtig, denn grössere Gemeinden verfügen über eigene Infrastrukturwerke, welche direkt Projekte finanzieren und Anlagen betreiben können, während kleinere Gemeinden eher auf Partnerschaften angewiesen sind. Stets stehen wir gerne auch für Informations-Veranstaltungen zur Verfügung und helfen mit beim Erarbeiten des Programms und beim Zusammenstellen von Referierenden.

Persönliche Frage zum Schluss: Die Festtage stehen vor der Tür – bei Ihnen mit oder ohne Weihnachtsbeleuchtung?

Unsere Familie geniesst die Advents- und Weihnachtszeit in vollen Zügen, mit allem Drum und Dran. Da wir mit unserer PV-Anlage auch dieses Jahr mehr Strom produzieren, als wir brauchen, haben wir mit einem guten Gefühl im allgemeinen Treppenhaus eine LED-Lichterkette zeitweise in Betrieb. In der Wohnung haben wir auch LED-Kerzen. «Echte» verwenden wir zwischendurch, aber meist nur aus Bienenwachs. Ich liebe das Imkern – mehr als die Russentwicklung der Kerzen aus Paraffin, welches ja aus Erdöl oder Braunkohle gewonnen wird. Mein Tipp: Geniessen wir die Adventszeit, denn «Hygge» ist gesund – das funktioniert auch mit nachhaltigen Möglichkeiten.

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