Am 24. März 2025 haben die Energieberatungsstelle Bern-Mittelland und das kantonale Amt für Umwelt und Energie (AUE) gemeinsam einen Online-Workshop für Energiefachleute zum Thema Energienachweis durchgeführt. Welche Rolle haben dabei die Gemeinden? Und was müssen sie beim Energienachweis beachten? Nachfrage beim Architekten und Bauphysiker Christian Orsega vom Team der Energieberatungsstelle.
Was ist ein Energienachweis? Und wozu dient er?
Anhand des Energienachweises (Kurzform von Energiemassnahmennachweis EMN) bestätigen Architekt:innen und Planer:innen gegenüber der Gemeinde, dass die Energievorschriften bei ihren Bauprojekten eingehalten sind. Energienachweise sind jeweils von der Bauherrschaft und vom Gesamtprojektverantwortlichen zu unterzeichnen. Ein Nachweis muss erbracht werden, wenn ein beheiztes Gebäude oder eine haustechnische Anlage erstellt oder geändert wird. Das heisst, wenn beispielsweise Bauteile wie Aussenwände, Dächer, Fenster oder haustechnische Anlagen wie Heizung, Warmwasseraufbereitung, Klimaanlagen, Lüftungen oder Kühlräume betroffen sind. Die Formulare für den Energienachweis haben die Kantone gemeinsam entwickelt. Pro Kanton gibt es ein Hauptformular, das alle kantonsspezifischen Sachverhalte enthält.
Welche Bedeutung hat der Energienachweis?
Er ist ein sehr wichtiges Instrument. Denn er erlaubt es, standardisiert zu prüfen, ob die Energievorschriften eingehalten werden. Der Energieausweis ist entscheidend, um beim Bauen einen sparsamen Umgang mit Energie zu gewährleisten und Bauschäden in der Zukunft zu vermeiden. Er unterstützt das Einplanen von erneuerbaren Energien und damit das Netto-Null-Ziel 2050.
Was gab den Anstoss dazu, einen Online-Workshop zum Thema Energienachweis durchzuführen?
Zu unserem Leistungsauftrag gehört es, Planenden und EMN-Ausstellenden in Zusammenarbeit mit dem AUE Unterstützung zu bieten bei der Umsetzung der Energiegesetzgebung. Seit Anfang 2023 gilt im Kanton Bern das revidierte Energiegesetz. Damit haben die Vorgaben geändert, und die Formulare für den Energienachweis mussten angepasst werden. Bei der Anwendung treten deshalb immer noch Unsicherheiten und Fehler auf. Diese wollen wir ansprechen, offene Fragen klären und den Planenden und EMN-Ausstellenden praktische Hilfestellung und eine Plattform geben, um sich auszutauschen.
Als Vollzugsbehörden müssen die Gemeinden im Baubewilligungsverfahren prüfen, ob der Energienachweis erbracht werden kann, das heisst, ob die Minimalanforderungen an die Energienutzung eingehalten sind. Kann eine Gemeinde für die Kontrolle von Energieausweisen auch externe Fachleute beauftragen?
Das ist selbstverständlich möglich. Ausschlaggebend ist oft, wie viele Energieausweise eine Gemeinde erhält und über welche personellen Ressourcen sie verfügt. Gerade kleinere Gemeinden lassen den Energienachweis häufig von externen Fachleuten prüfen. Für mittelgrosse oder grosse Gemeinden empfiehlt es sich, dass auch interne Fachpersonen mit grundlegenden Kenntnissen zu Gebäudehülle und Gebäudetechnik Energienachweise korrekt prüfen können. Damit lassen sich in der Regel die Prozesse beschleunigen.
Worauf müssen Gemeinden beim Energienachweis besonders achten?
Die Gemeinden müssen die Prüfung, ob die kantonalen Energievorschriften eingehalten werden, standardisiert vornehmen. Dabei gelten folgende Prüfkriterien:
Für Energienachweis-Kontrollierende gibt es eine kantonale Checkliste; diese befindet sich allerdings im Moment in Überarbeitung.
Wie wird sich der Energienachweis weiterentwickeln?
Ich glaube und hoffe, dass es dank der laufenden technischen Innovationen möglich sein wird, den Energienachweis zu vereinfachen und zu beschleunigen. In der Schweiz sind rund 80 Prozent der Gebäude alt und sanierungsbedürftig, und die heutige Sanierungsrate von rund 1 Prozent pro Jahr ist ungenügend, um die Netto-Null-Ziele des Bundes bis 2050 zu erreichen. Ein relevanter Teil der Planungsarbeit wird heute fürs Erstellen von Nachweisen (wie z. B. Energienachweis) aufgewendet. Das ist nicht nur zeitintensiv, sondern auch kostspielig. Mehr Flexibilität und Schnelligkeit lägen auch im Interesse des Bausektors.
Spielt beim Energienachweis auch graue Energie eine Rolle?
Bisher lag der Fokus hauptsächlich auf der Betriebsenergie von Gebäuden. Diese konnte seit der Ölkrise bei Neubauten um circa Faktor 10 reduziert werden. Nun werden die Kreislaufwirtschaft und die Wiederverwendung von Bauteilen – und damit die graue Energie – zunehmend ein Thema. So auch in den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) 2025, die im Entwurf vorliegen und Grenzwerte zu grauer Energie vorsehen. Ebenfalls gewinnen CO2-Emissionen im Zusammenhang mit der Herstellung von Bauteilen an Relevanz.