Vor den Sommerferien präsentierte der Stiftungsrat von Konzert Theater Bern KTB den neuen Intendanten Florian Scholz, der ab 2021/2022 die künstlerische Gesamtverantwortung übernehmen wird und nun bereits zu 50 Prozent in Bern arbeitet. Vorausgegangen war ein intensiver Findungsprozess, bei dem auch unsere Region eine Rolle spielte – in der Person «unseres» Stiftungsratsvertreters Ueli Studer.
Im Sommer 2018 trat Stephan Märki als Intendant von Konzert Theater Bern KTB zurück. Zuständig für die Nachfolge ist der Stiftungsrat KTB, in dem mit Ueli Studer auch ein Vertreter der Regionalkonferenz Bern-Mittelland sitzt. Er erzählt uns, wie es zur Wahl von Florian Scholz gekommen ist und welche Rolle er dabei spielte.
Ueli Studer, worauf haben Sie als Vertreter der Region im Findungsprozess besonderes Augenmerk gelegt?
Zuerst einmal wollte ich mich engagieren, also mir die notwendige Zeit reservieren, was mir auch sehr gut gelang. Der Prozess war dann sehr interessant, und ich bin froh, dass wir ihn wie geplant rechtzeitig zu Ende führen konnten. Ich bin überzeugt, dass wir eine gute Wahl getroffen haben – übrigens einstimmig – und dass das KTB einen verheissungsvollen Neustart hinlegen wird.
Als Regionsvertreter und als ehemaliger Politiker wollte ich bei den Bewerbungsgesprächen herausspüren, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber auch eine gewisse Affinität für das Regionale hat. Ich meine das aber nicht im Sinne von provinzhaft. Gerade als Intendant/in muss man die politischen Befindlichkeiten und Funktionsweisen kennen, um sie für die Kunst und Kultur fruchtbar zu machen. Ich wollte jemanden, der oder die sich nicht nur in der «Hochkultur-Bubble» bewegt.
Sie waren für den Findungsausschuss auch in Klagenfurt, um das bisherige Wirkungsfeld von Florian Scholz kennen zu lernen. Welche Erkenntnisse haben Sie gesammelt?
Ich durfte mir Einblick in die Führung des Stadttheaters Klagenfurt verschaffen, laufende Inszenierungen (Theater und Musiktheater) besuchen sowie Proben des Chors erleben. Während dieser Tage konnte ich feststellen, dass Scholz an seiner Wirkungsstätte und in seinem Theater Klagenfurt sehr geschätzt wird. Man spürt im ganzen Haus, dass er grossen Wert auf Qualität und Ordnung legt. Es herrscht überall eine respektvolle, offene Umgangskultur. Zugleich spürte ich die grosse Wertschätzung der Gäste, mit denen ich auch einige Gespräche geführt habe, zum Beispiel in der Pause eines Stücks – natürlich ohne mich erkennen zu geben. Denn hätten die Leute gewusst, dass wir ihnen den Intendanten abspenstig machen wollten, hätten sie ihn vielleicht nicht so gelobt.
Ich konnte auch feststellen, dass Scholz ein hervorragender Gastgeber und ein gewissenhafter Botschafter für das Land Kärnten und gleichermassen für die Stadt Klagenfurt ist. Sollte er sich in Bern ebenso einsetzen, ist seine Wahl ein grosser Gewinn für das Haus, für die Stadt, für die Region und für den Kanton.
In Klagenfurt haben Sie auch das Musical «Evita» gesehen. Liefert uns das einen Hinweis auf die Neuausrichtung des Programms in Bern?
Eine Intendantin respektive ein Intendant steht unter gewaltigem Druck: Es sind doch recht grosse Summen der öffentlichen Hand, die verantwortungsvoll in Kunst und Kultur umgewandelt werden dürfen und ein Publikum finden müssen. Aus meiner Zeit in der Kommission Kultur sind mir die Diskussionen rund um den Kostendeckungsgrad, der gerade beim Konzert Theater Bern für einzelne Politiker/innen zu tief ist, noch in den Ohren. Diese Diskussionen, die sich an einer abstrakten Zahl entzünden, sind mir nicht so wichtig. Viel wichtiger erscheint mir, dass das KTB niederschwellig ist, dass die Leute aus Stadt, Region und Kanton und darüber hinaus auch tatsächlich ins Stadttheater, in die Vidmarhallen und neu wieder ins Casino strömen. Es sollen lebendige Orte sein. Und da könnte zwischendurch einmal ein Musical ein neues Publikum ansprechen. Es ging mir also darum herauszuspüren, wie offen eine Kandidatin, ein Kandidat für solche Fragen ist. Florian Scholz ist es.
Der Stiftungsrat KTB setzte eine Findungskommission ein. Geleitet wurde sie von Nadine Borter, der Stiftungsratspräsidentin von KTB. Weitere Mitglieder waren Anna Badora (externe Expertin), Georges Delnon (externer Experte), Marcel Brülhart (Stiftungsrat KTB), Markus Hongler (Stiftungsrat KTB), Ueli Studer (Stiftungsrat KTB), Hansueli Glarner (Vertretung Kanton) und Giulia Meier (Vertreterin Stadt).
Das Verfahren war mehrstufig: Nachdem klar war, dass am sogenannten Berner Modell (also dem Vierspartenhaus) und dem aktuellen Organigramm festgehalten werden soll, wurde die Stellenausschreibung veröffentlicht. Es meldeten sich mehrere Dutzend Personen, aus denen eine Longlist mit 16 qualifizierten Kandidaten erstellt wurde. Auf die Shortlist schafften es dann neun Persönlichkeiten, mit denen Bewerbungsgespräche am Flughafen Zürich geführt wurden. Zwei Kandidaten schafften es eine Runde weiter. Schliesslich machte die Findungskommission einstimmig einen Einervorschlag zuhanden Stiftungsrat, und dieser Kandidat kam zu einem letzten Vorstellungsgespräch vor dem gesamten Stiftungsrat. Der Stiftungsrat wählte am 17. Juni 2019 Florian Scholz einstimmig.
Der 49-jährige Florian Scholz leitete die letzten sieben Jahre mit Erfolg das Stadttheater Klagenfurt in Österreich, welches wie das KTB als Mehrspartenhaus organisiert ist. «Als Intendant will ich eine enge, wie vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Intendanz und Spartenleiterinnen und Spartenleitern aufbauen, welche ihre Bereiche eigenständig und unabhängig leiten werden. Wir wollen uns dabei als Team verstehen.» Scholz wird nicht selber inszenieren, sondern er wird sich bewusst auf die Gesamtstruktur konzentrieren. «Ein spezielles Augenmerk will ich dabei auch auf spartenübergreifende Arbeiten legen, denn es ist ein besonderes Privileg, unter einem Dach ein Orchester, eine Tanzcompagnie, einen Chor, ein Opern- und Schauspielensemble zu vereinen», so Scholz.
Das KTB könne und müsse für die Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen, ist Scholz überzeugt: «Es ist Aufgabe einer jeden Kunststätte, sich für Empathie, Toleranz und Gerechtigkeit einzusetzen und den Geist der Freiheit aufrechtzuerhalten. Dies in der Stadt Bern zu tun, einem Ort, in welchem direkte Demokratie gelebt wird, wird für mich eine Herausforderung und Kern meiner Arbeit werden.»